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11. März 2018 read the game

Alles nur Glück bei Borussia Dortmund?

Die Saison von Borussia Dortmund mit wechselhaft zu umschreiben, ist noch stark untertrieben. Sensationeller Start, rasanter Absturz inklusive fliegendem Holländer und seit dem 15. Spieltag das punktestarke Comeback mit Wiener Schmäh. Aber ist nun wirklich wieder alles im schwarzgelben Lack in der Bundesliga oder hat man einfach nur Glück? read the game sucht nach Antworten in den Daten.

Die 3 Fußballweisen von Fußball MML – der Sky Podcast Lucas Vogelsang, Maik Nöcker und Micky Beisenherz haben die Leistungen der Dortmunder auch immer im Blick. In Episode 28 ab Minute 25:38 war es wieder soweit. Lucas Vogelsang berichtete von seinem samstäglichen Abendprogramm. Mit zwei eingefleischten BVB-Fans verfolgte er in einer Kneipe das Topspiel des 25. Spieltags: Leipzig vs. Dortmund. Die Essenz: Geil ist, dass es auf dem Platz klingt wie früher unter Klopp: Götze, Reus, Piszczek etc. Aber die Spielkultur ist von den glorreichen Jahren aktuell so weit weg wie Opel-Jürgen vom Westfalen Stadion. Ist es also am Ende alles nur Glück und Zufall, dass der BVB wieder in der Tabellenspitze vertreten ist? 

Hat der BVB mehr Glück als ein Konzept?

Auf den ersten Blick möchte man ganz klar ”Ja” sagen, Herr Vogelsang. Denn unsere Analyse ergab, dass bis zum 26. Spieltag bei 22 der 50 Dortmunder Saisontore der Faktor Zufall seine Finger mit im Spiel hatte. Das ist ein Anteil von 44 Prozent. 

Übersicht: Wer schießt in der Bundesliga Glückstore oder Tore mit Zufallsfaktor?

Wer schießt in der Bundesliga die meisten Tore mit Zufall?

 

Was read the game unter Zufall versteht? Die Zufallsmerkmale sind:

  • Der Torschuss wurde abgefälscht.
  • Der Ball prallte unmittelbar vor dem Torerfolg unkontrolliert vom Torgestänge zu den Angreifern oder ging direkt hinein.
  • Der Ball ging trotz einer starken Berührung durch den Torwart ins Netz.
  • Die Abwehr half unfreiwillig mit, indem sie den Ball unmittelbar vor dem Tor an die Angreifer verlor oder selbst ins Tor schob.
  • Das Tor fiel durch einen Schuss aus mehr als 25 Metern unter günstigen Umständen – etwa mit Sichtbehinderung des Torwarts, Aufsetzer oder Flatterball.
  • Der Ball prallte vom Torgestänge direkt ins Tor.
BVB Toranalyse Überblick: Wann schoss Borussia Dortmund Glückstore?

Zufall oder nicht: Alle BVB Tore auf einen Blick

BVB im Bosz-Modus

 Der BVB unter Peter Bosz zum Bundesligastart war wie der große Gatsby und seine Partys. Feuerwerk, große Show und jeder fand es atemberaubend. Zugleich konnte es sich aber auch keiner erklären, woher der makellose Prunk auf einmal herkam. Selbst unter Jürgen Klopp und Thomas Tuchel lief es nie derart reibungslos. Am 7. Spieltag stand Borussia Dortmund mit 6 Siegen und einem Unentschieden an der Tabellenspitze. Die ersten 5 Spieltage gab es noch nicht einmal ein Gegentor zu verzeichnen. Selber schoss man hingegen satte 19 Tore, darunter aber auch bereits 5 Treffer mit Zufallsfaktoren (35,7%). Ein knappes Drittel der Tore war also vermeintlich nur mit Glück gelungen. 

Vorne Glück, hinten Unvermögen? 

Wer sich die Euphorie-Klatschpappe einmal weniger als alle anderen durch das Gesicht zog, musste bereits damals erkennen: Dortmund tanzte in der Defensive auf der Rasierklinge der Fahrlässigkeit. Die Abwehr der Borussen stand bisweilen höher in einem Spiel als die Schuldenuhr von Boris Becker. Diesen Stil kann man fahren, aber nicht mit dem Defensiv-Personal des BVBs und gegen den Pressing-Fußball der Bundesliga. 

Die Ära Bosz endete nach einer Heimpleite gegen Werder Bremen bereits am 15. Spieltag mit 13 Punkten Rückstand auf die Bayern und Platz 8 in der Tabelle. Ein erneuter Blick in die Daten verrät, dass die Bilanz noch deutlich schlechter hätte ausfallen können, wenn das Glück bzw. der Zufall nicht mitgeholfen hätte.

Denn in der Offensive kamen die Dortmunder auf 35 Tore. Davon hatten 16 Stück oder 45% mindestens ein Zufallsmerkmal. Zum Vergleich der Gesamtwert der Bundesliga zur Winterpause: Bei 125 der 424 Toren (29%) der Hinrunde gab es Zufallsmerkmale, also nicht zu kontrollierende Umstände, zu verzeichnen. Das sind knapp ein Drittel aller Tore und liegt trotzdem unter dem Schnitt der Amtszeit von Peter Bosz in Dortmund. Dem gegenüberstanden 23 Gegentore bei denen lediglich 5 Stück einen Zufallsfaktor aufwiesen. 

Die Gegentore von Borussia Dortmund in der read the game Analyse auf einen Blick

Es ist selten der Zufall im Spiel , wenn der BVB Gegentoren kassiert

Auf Voetbal total folgt Peter voll normal

Peter Stöger hat schnell reagiert. Nachdem Aki Watzke ihn anrief, verteilte er kurz High-Fives an die Familie, danach ging es zurück zu den Piefkes. Kaum in Dortmund gelandet, hat er Julian Weigl noch vom Flughafen aus zurück auf die 6 geordert, was sich auch an der relativen Position des Spielers in den Trackingdaten fest machen lässt. Auch der Rest des Defensivverbunds nahm offensichtlich dankbar an, dass man doch bitte verhaltener den Weg zur Mittellinie suchen solle. Die Innenverteidigung am liebsten auch erst zum Pausenpfiff.

Die erste Bilanz nach 10 Spieltagen unter dem neuen Coach liest sich auf dem Papier gut. Denn man hat noch kein Spiel verloren. Stattdessen 5 Mal gewonnen und 5 Mal unentschieden gespielt. Offensiv gelangen trotz des Abgangs von Aubameyang 15 Treffer. Dabei spielte man aber weiterhin gern im Doppelpass mit dem Zufall. Denn auch unter der Regie von Peter Stöger  weisen 6 der 15 Tore oder 40% einen Zufallsfaktor auf. 

Analyse read the game: Wer schießt beim BVB Tore mit Zufall / mit Glück?

Diese Dortmunder Spieler haben das Glück bei ihren Toren gepachtet

Wichtiger war aber, dass die Dortmunder nur noch 8 weitere Treffer kassierten, wovon 3 Stück Zufallsmerkmale besaßen. Mit diesem Fußball kommt man in die Champions League, aber natürlich nicht in die Herzen der Fans. Man darf aber auch nicht vergessen, dass sowohl Peter Bosz nie mit dem Prunkstück (Reus, Götze und Schürrle) des Dortmunder Mittelfelds arbeiten durfte und auch Peter Stöger erst jetzt darauf zurückgreifen kann. Welcher Spielwitz dabei entstehen kann, deuteten die drei bereits an. Das Maximum scheint jedoch noch lange nicht erreicht.

Zufall: Geschenk des Himmels oder Taktik?

Kann eine derartige Häufung von Toren mit Zufallsmerkmalen wirklich nur Glück sein. Bereits zu Kloppos Zeiten ging das Gerücht um, dass er seinen Spielern mit auf den Weg gab, im entscheidenden Moment einen (klugen) Fehlpass zu spielen. Damit sollte der geordnete Abwehrblock des Gegners aus der Reserve gelockt werden. Das Gegenpressing der Dortmunder sollte nun den Ball zurückerobern, Spieler wie Reus oder Lewandowski in die kurzfristig gewonnenen Räume starten und dort den Ball erhalten sowie im Tor versenken.

Bei read the game betrachten wir diesen Bereich etwas größer als nur gewollte Fehlpässe. Stattdessen reden wir von Perturbationen. Darunter verstehen wir im Fußball eine Störung der Grundordnung durch eine gelungene Offensivaktion oder defensives Fehlverhalten, die zu einer torkritischen Situation führt (Hughes et al., 1998, S. 14-25). 

Eine Übersicht von read the game zu den Toren der Bundesliga mit Perturbation

Wer schießt die meisten Tore der Bundesliga mit Perturbation?

Denn gegen tief stehende Gegner fällt es schwerer Tore zu erzielen. Und damit ist der BVB oft konfrontiert. Vor allem, wenn beim BVB unter Stöger auch keine Treffer mehr nach Standards fallen wollen. Um so mehr muss es gelingen, die gegnerische Abwehrmauer aufzureißen und zugleich selbst dafür nicht zu weit aufzurücken. Allein 16 Tore nach kurzen Phasen, in denen niemand den Ball kontrolliert oder der Ball nur geklärt werden konnte, erzielte der BVB bislang in dieser Saison. Spitzenwert der Liga. 

Ist die Situation kreiert, kommt es auf die Reaktionsschnelligkeit der Spieler an sie auszunutzen. Denn innerhalb von 4-5 Sekunden nach der Störung des Systems schließt sich das Zeitfenster wieder, denn dann ist der Gegner wieder in Formation. Die entsprechenden Spieler hat der BVB seit Jahren in seinen Reihen. Wie schon Jürgen Klopp 2012 sagte: „Gegenpressing ist der beste Spielmacher der Welt.“

Fazit

Der Zufall ist ein treuer Begleiter des BVBs, aber es bestätigt sich anhand der Daten, dass es in Dortmund taktisches Stilmittel ist, das Glück heraus zu fordern. Egal wer an der Seitenlinie als Trainer steht. 

Denn erst wenn ein Abwehrspieler oder der gesamte Verbund zu Fehlern bewegt werden können, öffnen sich Räume für Torerfolge. Oder wie Micky Beisenherz mentaler Busenfreund Wolfram Eilenberger zu sagen pflegt „Hat der Abwehrspieler die Pfanne heiß, wird es brandgefährlich.“