Die Weltmeisterschaft 2018 in Russland ist vorbei. Daher wirft read the game einen Blick auf das Geschehene. Wir wollen aus der Sicht der Daten analysieren, wie die Tore gefallen sind.
Bei vielen Fans löste die Weltmeisterschaft 2018 keine Begeisterungsstürme aus. Zwar sorgten die Russen im Alleingang gegen Saudi-Arabien sowie Portugal und Spanien gemeinsam für allerhand Highlights gleich zum Auftakt. Nach dem ersten Spieltag sah es jedoch nicht danach aus, dass diese WM das ganz große Spektakel vom Turnier 2014 in Brasilien würde übertrumpfen können. Denn abgesehen von den beiden genannten Partien mit insgesamt 11 Treffern, fielen am ersten Spieltag nur 38 Tore. Das entspricht einem Schnitt von 2,38 Treffern pro Spiel. Während der WM 2014 lag der Schnitt in der Vorrunde sogar bei 2,83. Jedoch kamen die Teams offensiv noch ins Rollen. Am Ende sind 169 Tore und somit nur 2 Treffer weniger als 2014 gefallen, macht im Schnitt knapp 2,6 Tore pro Partie. Vor vier Jahren lag der Durchschnitt im gesamten Turnier schlussendlich bei 2,67.
Standards dominierten die Spiele
Wer die ruhenden Bälle beherrschte, hatte also die besten Chancen auf den WM-Titel? Das nicht, aber es nahm einen entscheidenden Part ein. Denn Weltmeister Frankreich besaß nicht nur die Qualität aus dem laufenden Spiel zum Torerfolg zu kommen, sondern auch nach ruhenden Bällen – insbesondere in den KO-Spielen. Lediglich England erzielte mehr Tore nach Standardsituationen.
Das Pressing dämpft die WM-Euphorie
Über ein aggressives Pressing wird in erster Linie der Angriff des Gegners gelähmt bis hin zerstört. Bei Ballgewinn soll im zügigen Umschaltspiel ein Tor gegen eine aufgerückte bzw. unformierte Abwehr erzielt werden. Problem: Wenn immer mehr Teams diesen Stil auf den Platz tragen, will keine der Mannschaften mehr angreifen. Das führt zum Eingangs erwähnten Unmut der Fans im Stadion und vor dem TV über mangelnden Spielfluss.
Tore erzwingen statt erspielen
Zwei nur schwer bis gar nicht zu knackende Abwehrreihen müssen also von den Offensivspielern in eine Situation gezwungen werden, die zumindest kurzfristig die gut abgestimmten Abwehrmechanismen stört oder gar komplett auflöst.
Ein Weg sind dabei Standardsituationen. Die Abwehr muss gezwungenermaßen akzeptieren, dass die Gegner sich in ihrem Strafraum platzieren und über ebenfalls einstudierte Abläufe gefährlichere Torschussszenen erschaffen können als aus dem laufenden Spiel. Je nach Qualität der Akteure fällt die Ausbeute aus. Die Engländer bewiesen bei der WM die meiste Kreativität und trumpften praktisch in jedem Spiel mit einer neuen Variante bei Eckbällen oder Freistößen auf. Belohnung: 9 ihrer 12 Turniertore fielen im Rahmen einer Standardsituation.
Ronaldo: Herr des ruhenden Balles
Im iberischen Duell zwischen Spanien und Portugal ragte einer heraus: Christiano Ronaldo. Der portugiesische Weltfußballer traft zunächst per Elfmeter zur Führung und markierte kurz vor Abpfiff mit einem direkt verwandelten Freistoß den Ausgleich. Es war sein dritter Treffer im Spiel, der zweite nach einer Standardsituation. Gegen Marokko legte er früh nach und traf in der 4. Minute nach einem Eckball per Kopf. Übertrumpft wird der Neuzugang von Juventus Turin lediglich durch Englands Superstar Harry Kane. Ganze 5 seiner 6 Tore fielen durch eine Standardsituation.
Welche Bedeutung hatten Standards bei der Weltmeisterschaft?
Zu einer erneuten Führung verhalfen 7 weitere Standardtore während der Weltmeisterschaft 2018. Insgesamt 20 Mal gelang es einer Mannschaft mit Hilfe eines Standards das Spiel auszugleichen.
Ecken, Elfmeter oder Freistöße: Welche Standards waren am erfolgreichsten?
Nicht minder umjubelt: direkte verwandelte Freistöße. Unvergessen ist natürlich Ronaldos Geniestreich zum 3:3 gegen Spanien. Doch noch 4 weitere Male wurde der Ball direkt im Tor untergebracht. Dazu gesellen sich 12 Freistöße, die zur direkten Torvorlage wurden sowie 9 Freistöße, die der Ursprung eines Torerfolgs waren.
Nach einem Eckball landeten insgesamt 23 Versuche im Tor. Allerdings waren bei 11 Treffern davon der Eckstoß der Ursprung des Tores. Bei 12 Eckbällen erfolgte eine direkte Abnahme, wie zuletzt Frankreichs Umtiti im Halbfinale gegen Belgien.
Helden der Crunchtime
Aus einem vermeintlichen Unentschieden wurde doch noch ein Sieg oder ein Rückstand konnte noch in ein Unentschieden verwandelt werden. Neben Ronaldos Freistoß in der 88. Minute gegen Spanien war sicherlich der Siegtreffer der Iraner gegen Marokko am Ende der Nachspielzeit der dramatischste Crunchtime-Treffer des ersten Spieltags. Und natürlich fiel auch dieser Treffer nach einem Standard. Iran erhielt in der 95. Minute einen Freistoß, die Flanke erreichte zwar keinen Mitspieler, aber dafür den Kopf von St.-Pauli-Profi Aziz Bouhaddouz. Der Stürmer köpfte unhaltbar ins eigene Tor und ließ die Iraner jubeln. Zudem wird vielen Fußballfans der belgische Siegtreffer gegen Japan in Erinnerung bleiben. Zudem ein Meisterstück des Umschaltverhaltens.
Der Zufall kickt international mit
Der Zufall hatte im bisherigen Turnierverlauf wie bereits bei den letzten großen Turnieren regelmäßig seine Finger im Spiel. Bislang fielen knapp 26 % der Tore mit einem Zufallsmerkmal. Und auch hier ist Christiano Ronaldo mit von der Partie. Sein zweiter Treffer gegen Spanien fiel aus dem Spiel und mit großer Unterstützung von Spaniens Schlussmann de Gea, der den Schuss des Portugiesen erst durch die Hände und dann ins Tor rutschen ließ. Bei Harry Kane weisen sogar 3 seiner 6 Treffer mindestens ein Zufallsmerkmal auf.
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