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19. Oktober 2018 Institut fuer Spielanalyse

Das Transferzeugnis 2018

Während man in München alles auf Sparflamme stellte, klotzen die Dortmunder richtig ran und grunderneuten für 75 Millionen Euro das Fundament ihres Teams. Spielerwechsel sind seit jeher das bestimmende Thema in der Bundesliga – auch wenn das Transferfenster längst geschlossen hat. Dieses Jahr stellt sich unter anderem die Frage: Entwickelt sich die Münchener Genügsamkeit in den kommenden Wochen zum ernsthaften Wettbewerbsnachteil? Nicht nur, weil der größte Konkurrent in der Liga massiv investierte, sondern gerade die Bayern in Spielzeiten nach einer Weltmeisterschaft besonders anfällig für Leistungsschwankungen sind. read the game untersucht daher datenbasiert, wer bei den Transfers in der Sommerpause seine Hausaufgaben besser oder schlechter als die Konkurrenz erledigt hat: Das Zeugnis für Manager und Sportdirektoren.

Die Fakten zum Transfersommer 2018 auf einen Blick

Rein formal betrachtet, tätigten die 18 Vereine der Bundesliga insgesamt 249 Transfers in der Sommerpause. Darunter fallen auch jene Transfers, bei denen Spieler nach einer Leihe zurückkehrten. Die Spitzenreiter sind Werder Bremen (20), Mainz 05 (19) und Eintracht Frankfurt (18). Währenddessen herrschte beim FC Bayern München für viele überraschend das Diktat der Bescheidenheit (5).

Für 76 Spieler (30,5 %) wurde eine Ablöse bezahlt ...
… Frankfurt und Bremen blätterten jeweils für sieben Spieler Ablösesummen hin. Der FC Bayern München hingegen zahlte in dieser Sommerpause keinen Cent Ablöse für einen Spieler, da Alphonso Davies erst zum Winter aus Vancouver nach München wechselt. Daher fließen auch die zehn Millionen Euro Ablöse hier nicht mit ein.
Für 76 Spieler (30,5 %) wurde eine Ablöse bezahlt ...
… Der größte Schnäppchenjäger war jedoch nicht der Rekordmeister, der mit Goretzka einen Nationalspieler frei Haus bekam. Stattdessen ist es Aufsteiger Fortuna Düsseldorf (5). Der Top-Schnäppchen-Transfer der Düsseldorf ist Matthias Zimmermann. Er kam vom VfB Stuttgart und hat bis zum 8. Spieltag von 630 möglichen Minuten insgesamt 620 Minuten auf dem Platz gestanden. Zudem ist Zimmermann an 40 % der Düsseldorfer Tore beteiligt.
39 Spieler (15,7 %) aus dem eigenen Nachwuchs bzw. der zweiten Mannschaft …
… fanden einen Platz in der Profi-Mannschaft. Spitzenreiter bei der “Home-Grown”-Nachwuchsförderung sind in diesem Sommer Mainz 05 und Hertha BSC, die je fünf Nachwuchs-Kicker in ihre Profi-Kader integrierten. Hervorzuheben ist dabei der Mainzer Ridle Baku. Nach Kurzeinsätzen zum Ende der vergangenen Spielzeit, ist Baku inzwischen Stammspieler in Mainz und absolvierte fast alle sieben Bundesliga Partien bisher über die gesamte Spielzeit (98 %).
22 Spieler fanden per Leihe einen neuen Club …
Unter den größten Abnehmern findet sich erneut Fortuna Düsseldorf wieder. Aber auch der zweite Aufsteiger aus Nürnberg und Pokalsieger Frankfurt holten jeweils vier Spieler auf Leihbasis in ihre Mannschaften.
85 Spieler fanden sich nach einer Leihe …
… in diesem Sommer wieder bei ihrem Stammverein ein. Spitzenreiter sind RB Leipzig (8) und der VfB Stuttgart (7). Davon waren 72 Kicker (28,9 %) jedoch nur auf der Durchreise und wechselten direkt weiter zu einem anderen Verein

Richtet man den Blick nur auf jene Spieler, die zum Verein nach einer Leihe zurückkehrten und auch blieben sowie gänzlich neu hinzukamen, ergibt das eine Summe von 177 Transfers, die wir in unserer datenbasierten Transferanalyse unter die Lupe nehmen. Darunter befinden sich vier Spezialfälle. Valentin Lazaro (Hertha BSC) und Ante Rebic (Eintracht Frankfurt) spielten bereits im letzten Jahr in ihren Vereinen, wurden aber offiziell erst in diesem Sommer fest verpflichtet. Genki Haraguchi ging nach seiner Leihe in Düsseldorf zurück zu Hertha BSC, um danach direkt an Hannover 96 verkauft zu werden. Thanos Petsos kehrte nach seiner Leihe an Rapid Wien zurück und ist von seinem Verein Werder Bremen freigestellt. Somit ist die Gesamtbasis unserer detaillierten Analyse 173 Spieler.

Welcher Verein hat wie viele Spieler geholt?

Zwar hat Werder Bremen (20) die meisten Zugänge zu verzeichnen, zieht man die direkt gewechselten Spieler jedoch ab, führen Mainz 05 und der SC Freiburg das Ranking mit 14 Transfers an. Die mit Abstand wenigsten Transfers hat Bayern München getätigt (4).

Beachtlich: Nach sieben Spieltagen haben knapp 40 Prozent der neuen Spieler noch nicht eine Minute auf dem Platz gestanden. Denn bisher kamen nur 103 der 173 Spieler zum Einsatz. Das lässt natürlich Fragen zur Güte der Scouting-Abteilungen in den Bundesliga Vereinen offen, nach welchen Maßstäben dort Spieler gesichtet sowie transferiert werden, aber im Anschluss nicht zum Zuge kommen. Wenn das Stichwort Kaderverstärkung nicht der ausschlaggebende Punkt bei Transfers im Profi-Fußball ist, dann müssten andere schlagkräftige Argumente herangezogen werden, um diese Übersicht doch noch ins Positive zu interpretieren.

Bei Hannover und Hoffenheim spielen fast alle, bei Augsburg fast keiner

Insgesamt wurden von den 103 eingesetzten Spielern 25 (24,3%) Kicker zur Stammkraft in ihrem Klub. Insgesamt standen die eingesetzten Transfers 46% der Brutto-Spielzeit auf dem Platz.

Hannover 96 hat sich im Sommer mit neun neuen Spielern verstärkt, davon kamen bisher auch acht Akteure bereits zum Einsatz. Bei der TSG Hoffenheim sieht es ähnlich aus: sieben von acht neuen Spielern durften bereits Spielerfahrung sammeln. Prozentual betrachtet, liegen sie damit an der Spitze. Absolut hingegen Mainz 05, das elf seiner 14 neuen Kicker bereits spielen ließ.

Anders sieht es in Augsburg aus. Da vertraut man trotz zwölf Neuzugängen hauptsächlich den Spielern aus der Vorsaison. Es kamen erst drei der neuen Spieler auf Einsatzminuten. Gerade beim kraftraubenden Spielstil der Augsburger wird es interessant zu beobachten sein, wie schnell sich an diesem Verhältnis etwas ändern wird. Kurios: André Hahn, kehrte im Sommer vom HSV zurück nach Augsburg und ist einer der wenigen Spieler, die sofort einen Stammplatz ergatterten (85 % der möglichen Spielzeit). Beachtlich, nachdem er sowohl in Gladbach und erst Recht beim HSV nicht an seine Form früherer Tage anknüpfen konnte. Zurück beim FCA geht die Formkurve wieder steil bergauf (5 Torbeteiligungen).

Apropos Belastung: RB Leipzig, das die Sommervorbereitung fortwährend unterbrach, um in der Qualifikation für die Europa League Partien zu bestreiten, hat von seinen sieben neuen Spielern im Kader bis dato erst drei eingesetzt (43 %). Darunter finden sich mit Saracchi und Mukiele die beiden neuen Außenverteidiger. Die Position war im Vorjahr bei den Sachsen durch zahlreiche Verletzungen schwach besetzt. Somit zwei Top-Transfers!

Was haben die geholten Spieler bisher an statistischen Werten sammeln können?

Verteidiger sammeln Spielzeit, Mittelfeldspieler Torbeteiligungen. So könnte das Kurz-Fazit lauten. Denn die Position des Innenverteidigers ist mit einer durchschnittlichen Bruttospielzeit von 380 Minuten und damit 60% der möglichen Dauer die Position, auf der die Neuverpflichtungen die meiste Spielzeit generierten.

An Toren sind mit 15,7% vorrangig Mittelfeldspieler beteiligt, Außenstürmer kommen auf 13,1% und Stürmer auf 10,9%. Bei der Beteiligung an Torschüssen liegen wenig überraschend die Stürmer mit 18,1% vorne, gefolgt von Mittelfeldspielern mit 16%. Bezeichnend für die offensive Interpretation des Außenverteidigers im heutigen Fußball: Mit durchschnittlich 11,9% Beteiligungen an Torschüssen sind sie häufiger involviert als Außenstürmer. Man muss jedoch mit erwähnen, dass sie auch auf mehr Einsatzzeiten kommen als die Angreifer. Außenverteidiger spielten im Schnitt 285 Minuten, Außenstürmer nur 215.

In Mainz starten die Neuzugänge durch

Elf der 14 neuen Spieler durften bei den Bruchweg-Boys bereits aufs Feld. Fünf (45,5%) davon sind sogar direkt zu Stammspielern avanciert und haben mindestens 75 % der möglichen Spielzeit bis zum 7. Spieltag erreicht. Beachtlich, da mit Aarón Martin, Moussa Niakhaté und Jean-Philippe Mateta allein drei junge Spieler aus anderen Ligen kam, die jedoch sofort die Herausforderung Bundesliga gepackt haben. Dahinter folgen Düsseldorf und Frankfurt, bei denen jeweils drei Akteure Teil des Mannschaftskerns wurden.

Anders sieht es in München, Stuttgart, Leverkusen und Leipzig aus. Bei allen vier Clubs schaffte es keiner der Neuzugänge die oben beschriebene Grenze zu knacken. Beachtlich, da Serge Gnabry nach einer starken Leih-Saison in Hoffenheim (15 Torbeteiligungen) nach München zurückkehrte. Trotz vollständiger Saisonvorbereitung und der aktuellen Ladehemmung, kommt der Nationalspieler größtenteils jedoch nur als Joker zum Einsatz.

Die sportliche Misere in Hannover lässt sich vielleicht auch daran fest machen, dass sich die Mannschaft noch nicht gefunden hat. Zwar haben bei den Niedersachsen schon fast alle Neuzugänge auf dem Platz gestanden, aber nur einer von ihnen avancierte zur Stammkraft. Der Rest kam bisher von der Bank oder wurde vorzeitig ausgewechselt.

In Freiburg spielen Neuzugänge öfter als in Stuttgart

Gemessen am Anteil der möglichen Einsatzzeit liegen die Neuzugänge in Freiburg mit 63,5% ganz vorne. Die vier neuen Akteure im Freiburger Kader spielten 1600 von 2520 möglichen Minuten. Es folgen Wolfsburg mit 57%, Frankfurt mit 56% und Leverkusen mit 55%.

Den geringsten Anteil und damit die wenigste Einsatzzeit bekommen die transferierten Spieler hingegen bei Hertha BSC (25%), Nürnberg (31%), Augsburg (34%), Bayern und Stuttgart (beide 39%). Für die Ehrenrettung der alten Dame aus der Hauptstadt sorgt ihr bisheriger Top-Transfer Javairó Dilrosun. Der Außenstürmer kam vor der Saison aus der U23 von Manchester City nach Berlin und avancierte direkt zur Stammkraft – knapp 82 % der möglichen Spielzeit absolviert und an der Hälfte aller Berliner Tore beteiligt.

Welche Rolle spielt der Nachwuchs im Hinblick auf die Transfers bei den 18 Clubs der Bundesliga?

Insgesamt sind im Sommer 36 Spieler aus dem eigenen Nachwuchsbereich in die Profikader aufgerückt. Spitzenreiter ist Mainz 05, die fünf Eigengewächse in ihre Bundesliga-Mannschaft integrierten. Dahinter folgen Frankfurt, Augsburg, Werder und Hertha (je 4). Klingt zunächst vielversprechend, wird jedoch relativiert, wenn man sieht, dass nur acht der Spieler auch zum Einsatz kamen! Abermals sticht hier Mainz 05 heraus. Mit 44 % der möglichen Einsatzzeit sammelten die Nachwuchsspieler die meisten Minuten auf dem Feld ligaweit. Insbesondere Ridle Baku startet nach den Kurzeinsätzen im Vorjahr nun vollends durch als festes Mitglied des Profikaders. Er ist auch der einzige Nachwuchsakteur, der aktuell zum Stammpersonal seines Clubs avancierte.

Wer hat am besten eingekauft in der Bundesliga?

Welcher Manager oder Sportdirektor im Sommer das beste goldene Händchen hatte, wollen wir anhand der absolvierten Spielzeit, Torbeteiligungen sowie Beteiligungen an Torschüssen und Episoden untersuchen.

Freiburg und Dortmund Top, Bayern Flop

Beim Blick in die Daten wird deutlich, dass der SC Freiburg mit seinen Neuzugängen durchschnittlich zu 95% über den Normwerten liegt. In absoluten Zahlen bedeutet das, dass nur ein Spieler den Normwert bei der Brutto-Einsatzzeit nicht erreicht hat, ansonsten liegen alle Spieler in allen Kategorien über den Durchschnittswerten der jeweiligen Position. Kurz um – es wurden praktisch nur Spieler geholt, die das Team auch wirklich besser machen.

Bayern München ist der einzige Verein, bei dem kein Transfer über dem Durchschnitt liegt – weder bei der Einsatzzeit, noch bei den Torschussbeteiligungen. Im Hinblick auf die Torschüsse ist dies nur noch bei Leverkusen der Fall. Leipzig ist hingegen das einzige Team, bei dem keiner der Neuzugänge über der durchschnittlichen Wert der Torbeteiligungen liegt. Bei den Sachsen schafft es zudem auch keiner der Spieler, die Normwerte bei der Episodenbeteiligung zu erreichen.

Lob für die Transferpolitik muss man also nach Mainz entsenden. Denn die meisten als Top-Transfer eingestuften Spieler hat Mainz 05 in seinen Reihen. Insgesamt fünf der elf Spieler und damit 45,5% der Neuzugänge erhalten dieses Prädikat. Anteilig gesehen liegt nur Freiburg über den Mainzern. Es folgen die Dortmunder mit vier Top-Transfers (57%) und Düsseldorf mit ebenfalls 4 Top-Transfers (50%). Beachtlich bei Dortmund ist jedoch, dass man eben keinen Stürmer für 80 Millionen Euro verpflichtete, sondern einen, der perfekt zu ihrem Spiel zu passen scheint. Und das, obwohl er noch nicht einmal über 90 Minuten in der Bundesliga spielte. In gerade 81 Minuten in der Liga erzielte Paco Alcacér 7 Torbeteiligungen.

Schalker Star-Einkäufe zünden nicht

In die andere Richtung geht es jedoch auch: 13 der 103 Spieler (12,6%) wurden mit dem Prädikat „Flop“ bewertet, 31 (30%) mit „Durchschnitt“ und 36 und damit der höchste Wert (35%) als Top-Transfer. 23 Spieler (22%) wurden nicht bewertet, da gar keine zu wenige Stats generiert wurden. So hat man sich gewiss auf Schalke mehr von den Zugängen Suat Serdar, Sebastian Rudy und Mark Uth versprochen – allen voran mehr Torgefahr. Doch der Saisonstart ging bei den Knappen mächtig in die Hose und das lag auch daran, dass Mark Uth erst eine Torbeteiligung vorzuweisen hat. Zudem ist Rudy mit gerade mal knapp 5 % Episodenbeteiligungen noch lange nicht die Schaltzentrale, die man auf Schalke in ihm sieht. Gleiches gilt auch für Renato Sanches. Nach unglücklich verlaufenen Ausleihen sollte es unter dem neuen Coach Niko Kovac endlich klappen. Bis dato steht aber noch keine Torbeteiligung für das portugiesische Talent mit dem vermeintlich großen Offensivdrang in der Vita für diese Bundesliga Saison.

Fazit

Die Bundesliga beweist anhand der vorliegenden Statistiken, dass man auf unterschiedlichen Wegen Transfererfolge erzielen kann. Mit viel Geld lassen sich auch spezielle Spieler zum eigenen Klub locken. Aber ein geschulter Blick, welcher Spieler den eigenen Stil bzw. die eigene Mannschaft besser macht, zahlt sich fast noch mehr aus. Denn Spieler wie André Hahn, die seit Jahren nicht mehr an ihr höchstes Leistungsniveau herankamen, spielen nun wieder furios auf. Welche Auswirkungen die Transferpolitik der Klubs auf die Tabelle zum Abschluss der Hinrunde haben wird, werden wir dann wieder untersuchen.