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20. Juni 2019 Steffen Görsdorf

Geht`s raus und schaut´s Frauenfußball!

Die Deutsche Nationalmannschaft steht im Achtelfinale! Ein Satz, so gewöhnlich und doch so spektakulär zugleich. Dass es für eine DFB-Delegation keine Selbstverständlichkeit mehr ist, die Gruppenphase bei einer Endrunde zu überstehen, haben die Herren im Sommer letzten Jahres eindrucksvoll bewiesen. Die deutschen Auswahl-Kickerinnen polieren den ramponierten Glanz des DFB nun wieder auf. Dabei agieren sie nicht nur cleverer als die männlichen WM-Versager, sondern leisten statistisch sogar zuweilen mehr – für einen Bruchteil von deren Entlohnung.

Als Gruppenerster ohne Punktverlust zogen die Frauen ins Achtelfinale der Weltmeisterschaft in Frankreich ein. Pauschal-Urteile, wie zum Beispiel “Die haben es leichter, weil…” liegen uns bei read the game jedoch fern. Daher werfen wir wie immer einen Blick auf die Daten. Was sind datengetriebene Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Fußball bei der Männer-WM 2018 in Russland und der Frauen-Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich?

1. Bei den Frauen erleben Fans mehr Fußball und Tore!

Ex-Profi und Kolumnist Hans Sarpei hat es in einem Beitrag der GQ sehr trocken formuliert: Statt mit der Familie beim HSV für viel Geld mittelmäßiges Zweitligagekicke zu schauen, sollte man lieber für weniger Geld mehr und besseren Fußball bei den Frauen erleben. Bezieht man die These auf den Fußball der laufenden Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich im Vergleich zur WM 2018, ist da datentechnisch durchaus allerhand dran.

Hans Sarpei empfiehlt: ?Foto: Fums

Gepostet von Fußball Aktuell – International am Mittwoch, 12. Juni 2019

 

Stand jetzt sind im Turnier 106 Tore gefallen. Knapp 3/4 davon erzielten die 24 Teams bei der Weltmeisterschaft aus dem Spiel heraus. Der Tordurchschnitt pro Partie liegt aktuell bei 2,9. Wessen Fußballherz also höher schlägt, wenn erstens mehr Tore und zudem viele Treffer aus dem laufenden Spiel heraus fallen, verfolge die WM 2019 nun intensiver als je zuvor. Insbesondere die Partien der USA. Die Amerikanerinnen schossen bereits 18 Tore.

Bei der Weltmeisterschaft 2018 in Russland sah die Tor-Verteilung deutlich anders aus. Im gesamten Turnier schossen die 32 teilnehmenden Nationen 169 Tore – 107 aus dem laufenden Spiel, 62 per Standard (zwölf davon per Elfmeter). In der Vorrunde war das Verhältnis sogar noch ausgeglichener: Von 122 Toren in der Gruppenphase fielen 54 Stück per Standard (44,3%).

Je größer der Anteil von Standards in einer Partie ist, desto statischer wirkt das Spielgeschehen – für die Spieler selbst als auch für die Fans. Wer auf derart viele Unterbrechungen der Live-Action steht, hat früher bei Schlag den Raab auch nur wegen der Werbeunterbrechungen eingeschaltet. Wer jedoch die Essenz des Fußballs an sich liebt – Konstanter Spielfluss, Abschlüsse und Tore – schaut zukünftig lieber öfter Spiele der DFB-Ladies. Empfiehlt nicht nur Hans Sarpei, sondern auch die Datenanalyse.

2. Bei den Frauen wird Fußball gespielt – hart, aber fair.

Bei der Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich läuft nicht alles glatt während der Partien. Abwehrschnitzer hier, Torwartpatzer da, Fehlpass-Stafetten dort. Eine Passquote von 77,4% – rund 6,4% weniger als bei den Herren. Zuweilen läuft der Ball aber auch in epischer Länge. Den Höchstwert in puncto Netto-Spielzeit erreichte die Partie Argentinien gegen Japan mit 61:09 Minuten. Der Durchschnitt liegt bis dato bei 54:07 min.
Fakten zum Frauenfußball
Das Ballbesitz-Dilemma: Japans Nationalmannschaft steckte im Duell gegen Argentinien in der Tiki-Taka-Falle fest. Laut des Datendienstleisters Opta kamen die Kickerinnen aus Fernost auf 72 Prozent Ballbesitz. Die Partie entdete jedoch torlos unentschieden. Seit dem Jahr 2011 ist kein Team mehr bei einer FIFA Frauen-Weltmeisterschaft mit einen derart hohen Ballbesitz-Anteil sieglos geblieben.

Mehr Unterbrechungen als Spielfreude erlebten hingegen die Zuschauer der Partie Nigeria gegen Frankreich. Von Brutto 102:30 Minuten Spielzeit rollte das Spielgerät lediglich 47:42 Minuten. Spannend war es aber dennoch – auch das gehört zum Frauenfußball und hatte am Ende schon fast was von der besagten HSV-Zweitklassigkeit. Inklusive fragwürdiger Schiedsrichterentscheidung. Bei der Weltmeisterschaft der Herren in Russland lag die durchschnittliche Netto-Spielzeit bei 59:58 Minuten – also 5 Minuten mehr als bei den Damen.

Für eine Unterbrechung sorgen vor allem Zweikämpfe, die als Foul gewertet werden. Im laufenden Turnier liegt der Durchschnitt bisher bei 28 Fouls pro Partie. Bei den Herren liegt der Mittelwert bei rund 27 Fouls. Von wegen schwächeres Geschlecht. Die Damenwelt weiß also auch kräftig auszuteilen. Dafür bleiben die Frauen öfter im regelkonformen Bereich beim Foulspiel. Oder anders gesagt, wissen die Frauen offensichtlich besser, wie man cleverer foult. Im Schnitt 2,3 Mal zückten die Unparteiischen in Frankreich den gelben Karton pro Partie. Ein Jahr zuvor in Russland lag der Schnitt am Ende bei 3,5 Mal Gelb pro Spiel und somit deutlich höher.

Fakten zum Frauenfußball
Frauen spielen genauso hart wie Männer! Im bisherigen Turnierverlauf wurde im Schnitt 28 Mal pro Partie gefoult und 2,3 Mal eine gelbe Karte gezückt. Bei den Männern lag der Schnitt während der WM 2018 bei 27 Fouls und 3,5 gelben Kartons.

Dass die Frauen aber auch ganz anders können, bewies die Partie Italien gegen Australien. Beim 2:1 Sieg der Italienerinnen am ersten Spieltag registrierte der Datendienstleister Opta 39 Fouls. Das waren elf Stück mehr als bei jeder anderen Partie bisher.

3. Die Frauen sind die besseren Torjäger!

Das Runde muss ins Eckige! Dieser Fußballbibel-Psalm gilt bei den Männern und Frauen gleichermaßen. Zum jetzigen Zeitpunkt des Turniers sind die Frauen effektiver unterwegs. Benötigten die Männer bei der WM 2018 im Schnitt 9,8 Schüsse, um ein Tor zu erzielen, sind die Fußballerinnen der 24 teilnehmenden Länder zum jetzigen Zeitpunkt um einen Schuss kaltschnäuziger unterwegs – bereits alle 8,8 Schüsse klingelt es im Durchschnitt.

4. Die Männer können den Frauen nicht weglaufen!

Mit Passen und Schießen allein gewinnt man jedoch auch bei den Frauen keine Spiele oder gar den WM-Titel. Eine Stammtischweisheit sagt ja immer noch: Männer lassen den Ball laufen, Frauen rennen ihm hinter her. Doch weit gefehlt. Der Unterschied ist auf ein Minimum geschrumpft. Der Durchschnitt bei den Frauen in Frankreich liegt bei 102,9 km pro Team in einem Spiel. Insgesamt spulten die Männer bei der Weltmeisterschaft in Russland im Schnitt 104,6 Kilometer pro Partie ab. Also nur 1,7km mehr. 

Fakten zum Frauenfußball
Die erfolgreichsten Meilensammler in Frankreich sind die deutschen Frauen, die bislang 328km zurücklegten. Läuft bei den DFB-Ladies!

5. Beim Fußball existiert der größte Gender Pay Gap der Welt!

Und jetzt zum Geld: Bei der Weltmeisterschaft der Herren wurden insgesamt 400 Millionen Dollar an die 32 teilnehmenden Teams ausgezahlt. Bei den Damen sind es 30 Millionen. Der Weltmeister Frankreich bekam 38 Millionen Dollar. Der Frauen-Fußballweltmeister bekommt 4. Macht pro Spiel 5,43 Millionen Dollar bei den Männern und 571.429 Dollar bei den Frauen.

Hans Sarpei weiß Bescheid
Hans Sarpeis Kalkulation bezüglich der Tickets haut auch fast hin: Musste man in Russland für das günstigste Ticket knapp 105 Dollar berappen, liegt der Höchstpreis in Frankreich in der besten Kategorie während der KO-Spiele für eine Einzelpartie bei 57 Euro.

Fazit

Das ist keine andere Sportart mehr – sondern Fußball für weniger Eintrittsgeld, bei dem es um ein Zehntel des Geldes der Männer geht! Eine Weltmeisterschaft berührt das Herz eines jeden Fußballfans. Wer jedoch aufgrund der kürzeren Anreise innerhalb Europas und der geringeren Eintrittspreise den Weg nach Frankreich statt in drei Jahren zur Herren-WM nach Katar wählt, wird mehrfach belohnt. In den bisherigen Partien fielen im Schnitt mehr Tore als im letzten Sommer. Allemal im direkten Duell der deutschen Auswahlmannschaften (2 zu 6). Die Tore fallen zu großen Teilen aus dem Spiel heraus. Es wird genau so viel geackert und gekämpft auf dem Feld. Bedeutet: Mehr fürs Auge bei geringerer Belastung für den Geldbeutel. Und diese Argumente locken auch daheim die Menschen vor die TV-Geräte! Das dritte Gruppenspiel der deutschen Damen gegen Südafrika verfolgten 5,98 Millionen Menschen, was einen Marktanteil von knapp 32 Prozent bedeutete. Zum Vergleich: Die Partie der männlichen U21-Nationalmannschaft sahen 4,92 Millionen (20,2 %). 

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Der Datendienstleister Opta hat uns für diesen Beitrag einige Fakten zur Weltmeisterschaft 2019 zur Verfügung gestellt.